puls

lass los lass

kommen

lass liegen lass

ab – lass gehen

lass fallen – lass

locker – liebe

liebe stinkt nach himmel

mit schlechter laune hat

das nix zu tun. mit zeigen

wollen schon gar nicht

heul mir nen scheiss

fluß ossi los

– heul –

oder lass es

Samt

die wahrheit
ist die für den menschen
bedeutenste version der wirklichkeit
es ist jene geschichte
in der er
lebt

Ich stehe früh auf, weil mich der Junge weckt. Das ist nicht immer so. Aber die Tage an denen ich vor ihm wach werde sind selten. Ich gehe zu spät ins Bett. Ich bin früh am Morgen noch müde. Der Junge ist 4 Jahre alt. Er weckt mich mit vorsichtiger Stimme. Er hat oft Geduld, wenn ich noch ein wenig schlafen will. Manchmal klettert er zu mir herunter und kriecht mit unter meine Decke. Das gehört zu den schönsten Dingen, die mir passieren. Er weiss das nicht. Ich sollte es ihm öfter sagen. Vielleicht ist das wichtig.
Der Junge hat ein eigenes Zimmer mit einem Kinderbett. Das Bett kann man ausziehen, wie eine riesige Schublade, die bis kurz unter den Rand mit einer Matratze gefüllt ist. Dort schlafe ich. Seine Mutter meint ich sollte die Matratze beziehen. Das habe ich seit Wochen nicht gemacht. Sie hat vermutlich Recht. Das Bett war als Gästebett gedacht. Jetzt schlafe ich darauf. Ich schlafe gerne dort. Seit der Geburt des Mädchens machen wir das so. Das Mädchen, ein Säugling, schläft zusammen mit meiner Frau in unserem Schlafzimmer. Sie schläft ruhig und bis auf eine Trinkpause die ganze Nacht durch. Sie schlafen bei geschlossenem Fenster. Ich kann nicht schlafen bei geschlossenen Fenstern. Also schlafe ich bei dem Jungen bis wir die Fenster wieder öffnen können. Dafür muss das Mädchen noch ein wenig älter werden.

Jede Nacht komme ich mit einem Sofakissen unter dem Arm in das Zimmer des Jungen. Meine Handytaschenlampe liegt auf dem Kissen. Auf diese Art leuchtet nur ein transparenter Silikonring – die Schutzhülle des Handys. Das Licht ist weiss und an den äußeren Rändern dunkelgrün – die Farbe des Sofakissens. Vorsichtig schiebe ich meine nackten Füße über den Spielteppich. So räume ich Spielzeugkleinteile zur Seite ohne mir weh zu tun. Manchmal vergesse ich das. Manchmal schlafe ich mit Socken. Auf dem unteren Bett angekommen, der ausgezogenen Schublade, lege ich das Handy an das Kopfende. Das dunkle grün im Silikon verschwindet. An seine Stelle tritt das Baumwollweiß des Matratzenbezugs. Das Licht wird wärmer dadurch. Ich lege das Sofakissen daneben.

Der Junge liegt fast immer aufgedeckt. Ist es warm erscheint mir das normal. Ist es kalt, dann friert er und liegt zusammengerollt da. Aber egal ob es kalt oder warm ist, ich decke ihn zu und streiche über seinen Rücken. Mit geschlossenen Augen und ohne die Aufregung, die wach sein für ihn bedeutet, ohne erkennbare Mimik, liegt er da und atmet. Als er noch ein Säugling war kontrollierten meine Frau und ich stets, ob er noch atmete, denn es war nicht zu hören und fast nicht zu sehen. Eine Angst, die nach und nach verschwunden ist. Seine Schwester atmet immer. Das muss keiner überprüfen. Jedenfalls sagen wir uns das in Gesprächen über die Kinder.
Oft betrachte ich den Jungen minutenlang. Ich versuche gar nicht mehr zu verstehen, was ich dabei alles fühle und erlebe. Meistens kann ich es einfach geniessen – auch die Angst, denn selten steht sie so klar für die Bedeutung einer Sache, selten ist sie so eindeutig die unumgängliche Kehrseite von Verbundenheit wie in diesen Augenblicken. Einzig ein Gedanke wirkt immer wieder verwirrend auf mich: wenn er so still liegt kann ich ihn nur für mich sehen, nur dann kann ich in dem Gefühl baden, dass er mit sich in mein Leben gebracht hat. Eine kindliche Überlegung aber vielleicht entsteht so die wortverlorene Nähe- am Abend, wenn ich vor seinem Bett kniee.
Dieser wiederkehrende Moment, er beschäftigt mich. Der Junge beschäftigt mich. Er ist mein Junge.

Es ist eine besondere Form der Gemeinsamkeit, wie sie vielleicht nur zwischen Kind und Eltern erfahren werden kann. Aber ich bin im Grunde als Einzelkind aufgewachsen und daher kann ich nicht greifen, wenn Geschwister von solchen Bindungen sprechen.

Es ist wenige Jahre her, als ein Bekannter davon sprach, dass er das Vatersein wie ein erneutes Verlieben erlebt. Ich verstehe heute, was er meint, aber ich glaube nicht, dass sich die Liebe zu einem Partner überhaupt mit der Liebe zu einem Kind vergleichen lässt. Vielleicht ist der Vergleich sogar das Gegenteil von Liebe – vielleicht aber auch nicht.

Solcherlei rahmenlose Kaskaden fallen durch meinen Kopf, wenn ich dem Jungen beim Schlafen zusehe. Am Ende dieses frischen Rituals versuche ich leicht auszuatmen und zu lächeln. Irgend etwas an dieser Kette von kleinen Bewegungen landet immer genau dort, wo ich mit ihm sein will – in friedlicher Zugewandtheit, frei von Sorge, Zorn oder Angst.

vielleicht sogar frei von der Idee Liebe.

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